12.11.2016

Blind date heute - Lizinnie/Susanne

Hallo, wie schön, dass ich mich vorstellen darf: Ich heiße Susanne, auf flickr nenne ich mich Lizinnie. Ich bin eine Quilterin und ein Zaungucker, ein über-den-eigenen-Zaun-Gucker.

Die Kamera ist fest in meiner Hand.
Täglich pendle ich vom Baden-Württemberg nach Bayern, wenn ich aus dem Allgäu zu meinem Arbeitsplatz in einer Druckerei am Bodensee fahre. Als Mediengestalterin habe ich nicht nur die Wünsche der Kunden im Blick sondern auch eine Affinität zum Gedruckten und zur Schrift.

Ich war schon immer irgendwie kreativ. Basteln, Malen, Zeichnen, Häkeln, Stricken, Nähen, Modellieren, Figurentheater … Von meiner Mutter gelernt, in der Schule und vieles autodidaktisch. Voll Vertrauen, dass ich was-auch-immer schon hinkriege, kann ja nicht so schwer sein.

Zum Patchwork kam ich versehentlich. Es war Mitte der 90er. In meiner damaligen Wohnung gab es eine sehr große, sehr kahle Wand. Auf einem Bild sah ich im Hintergrund einen Wandbehang aus Stoffquadraten. Gute Idee, dachte ich, das kriege ich hin, kann ja nicht so schwer sein. Die Stoffe besorgte ich im nächsten Möbelladen, es gab in der Kleinstadt kein Stoffgeschäft. Ich habe die Quadrate mit Pappschablonen aufgezeichnet und mit der Stoffschere ausgeschnitten. Das Ergebnis mit Vlies gefüttert und in der Naht abgesteppt für die Stabilität. Am Ende hatte ich einen 200 x 150 cm großen Wandbehang. Erst später lernte ich: Das war Patchwork! Was soll ich sagen, es hatte funktioniert, es gefiel mir, so kam eins zum anderen. 

Damit fing alles an
Eigentlich habe ich zwei Quiltphasen. In der ersten Phase war ich eher klassisch traditionell unterwegs, viele der Quilts sind komplett mit Pappschablonen entstanden, also ohne Lineal und Rollschneider. Dank des Computers konnte ich Schablonen für jedes beliebige Blockmaß erstellen. 

Angeregt durch die Arbeiten von Gwen Marston, Jan Mullen und Jane Sassaman kamen Ausflügen in freie Techniken dazu. Aus dieser ersten Phase stammen immer noch viele Stoffe und ein paar UFOs.

Sampler waren die erste Leidenschaft: so viele Muster und Techniken,
 davon konnte ich gar nicht genug bekommen.
Für den ersten Versuch in Freischneide-Technik hatte mein Vater extra seine alten,
 ausrangierten Jeanshemden aufgehoben.
Endlich gab es am Bodensee ein Patchwork-Geschäft (Comer‘s Patchwork Atelier). 
Da haben mich meine Freundinnen (alle Nicht-Patchworkerinnen) 
zum Geburtstag mit Stoffen überrascht.
Nach ein paar Jahren Unterbrechung (und einem Ausflug in die Acryl-Malerei), bin ich über die Artquilts, modernen Arbeiten von Jean Wells, Quilts der Gruppe „Twelve by Twelve“ und Podcasts wie „Quilting for the rest of us“ wieder beim Quilten gelandet, jetzt freier, Stoffe als Bildmedium, ich wurde ein Zaungucker. Momentan pendle ich zwischen verschiedenen Richtungen mit einer großen Liebe zu freien Formen, zum Improvisieren und zum Freemotion-Quilting.

Phase 2 meines Quilterlebens startete im Allgäu mit „Löwenzahn“.
Miniquilts, 16 x 16 cm im Quadrat, meine „Spielwiese“ für neue Ideen und Techniken. 
Applizieren wird eine neue Ausdrucksweise für mich.
Sampler liebe ich immer noch. Jetzt kombiniere ich eigene 
Entwürfe mit traditionellen Blöcken.

Es gibt immer mehrere Projekte parallel: Ich bin in der flickr-Gruppe der „12 Bowlegged Curvy Bees“ (vielen Dank, Kirsten und May, für diese Gruppe), da gibt es jeden Monat einen Block zu nähen. Mein Quilt vom letzten Jahr wartet darauf, gequiltet zu werden. Und die Blöcke von diesem Jahr hängen an der Designwand.

Einige Blöcke mit Stich-and-Flip-Tieren hängen schon länger an meiner Designwand, da möchte ich gerne weiter entwerfen. Weitere Ideen kreisen im Kopf, mir wird nicht langweilig.

Es gibt so viele kreative Menschen und so viele Arten, sich auszudrücken. Vor drei Jahren habe ich die Gruppe „Die Zaungucker“ gegründet. Der Kontakt läuft über E-Mail. Es gibt alle 2-3 Monate ein gemeinsames Thema. Die Beiträge sind ganz unterschiedlich, einige malen, andere dichten, fotografieren, wir hatten schon ein Kreuzworträtsel, Scherenschnitte und Skulpturen. Und klar, ich quilte. 

Unser letztes Thema lautet Seelenvogel. Ich liebe die Herausforderung, sich immer wieder mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Und ich liebe Projekte, bei denen sich der Quilt entwickelt, man nicht am Anfang schon das Ergebnis kennt. Zu jedem Thema gibt es als Abschluss einen Rundbrief mit allen Beiträgen.

Mein Beitrag zum Zaungucker-Thema „Augenschmaus“, 
genäht aus Baumwolle und Seide.
Ich schreibe gerne Anleitungen und nähe gerne mit anderen zusammen. Eine Kollegin, die mit mir schon diverse Babyquilts genäht hat, hat, sehr lieb und sehr mutig, eines meiner eigenen Muster ausprobiert, ein Kaninchen in Stich-and-Flip-Methode. Sie hat klassisch schneidern gelernt und hat daher alle Teile einzeln aufgezeichnet und Nahtzugabe dazu gegeben. So habe ich gelernt, das ich mir vorher überlegen muss, für wen ich das Muster schreibe und was man voraussetzt (oder eben nicht). Der Knüller war allerdings, dass sie das Problem bemerkte und das Motiv trotzdem erfolgreich zusammengesetzte, mir ist bis heute nicht klar, wie sie das gemacht hat. Hut ab.

Kaninchen in Stich-and-Flip-Methode
In einer lokalen Gruppe bin ich leider nicht, wäre ich aber gerne. Außer bei den 12 Bowlegged Curvy Bees bin ich auf flickr noch bei SWAP°PEN auf Deutsch. Beides macht sehr viel Spaß und erweitert immer wieder meinen Horizont. Auch Quilt-Alongs finde ich immer wieder spannend und lehrreich.

Blöcke u.a. vom Last minute Christmas Sampler QAL von Sewing under rainbow.
Habe ich einen eigenen Stil? Bei der Frage musste ich breit grinsen. Das müssen andere beurteilen. Es gibt so viel zu entdecken und auszuprobieren. Wenn etwas typisch für mich ist, dann die Liebe zur zweiten Ebene, dem Tiefbödigen, alles hat eine Bedeutung. Es gibt Vorlieben, natürlich: Freemotion Quilting, scrappy, fantasievoll, verrückte Bildideen, ein bisschen schräg, gerne improvisiert, abstrahiert, Applikationen, denen man die Herkunft aus der Bildbearbeitung noch ansieht… Und dann darf es auch wieder modern-traditionell sein, auch mal eine Tasche oder ähnliches.


Ich quilte, weil ich Farben liebe. Vor Jahren hätte ich gesagt, Rot geht gar nicht. Um dann – konsequent wie ich bin – einen roten Quilt zu nähen.

Urban Red nach einer Anleitung von Sew Kind of Wonderful.
Orange ist herrlich! Chartreuse. Und dezentes Blau. Helle Low-Volum-Stoffe. Auch Grau. Momentan mein liebstes: Kate Spain, Unis und helle Oakshott Cotton. Kann sich aber schnell ändern, ich bin leicht zu begeistern und habe – wie viele Quilter – eine Sammlernatur.

Jeder Stoff ist schön, er braucht nur die passenden Nachbarn. Jede Technik hat ihre Berechtigung, es kommt nur darauf an, was man daraus machen möchte. Und hey – ich freue mich über die tollen Sachen in euren Quilt-Gärten, ich darf über den Zaun gucken, genießen, mich mit euch und an euren Werken freuen.

Freemotion – je skuriller desto besser! 
Die Inspiration kam mit den Ausmahlbüchern, die gerade modern sind.
Alles Liebe an die Modern Cologne Quilters, vielen Dank für die Möglichkeit mich hier vorzustellen.
Vielen Dank, das ihr mir bis hierher gefolgt seid. Bleibt kreativ, mutig und neugierig.

Eure Susanne


11 Kommentare:

  1. Liebe Susanne,
    vielen Dank, dass du dich vorgestellt hast. Deine Werke finde ich super und wirklich interessant, wie du zwischen den Techniken und Farben springst. Und trotzdem spürt man in allen Projekten deine Energie.
    Liebe Grüße, Rike

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  2. Das ist eine sehr interessante Reise, voller sehr schöne Erfahrungen. Extra cool finde ich das du auch dein erster Quilt gezeigt hat, so wie wir in einen Beitrag letztens auch. Ich bin gespannt wo es dir noch so hinführt.

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  3. Liebe Susanne, das ist ja toll Dich mal etwas näher kennen zu lernen, wo ich doch schon einiges Genähtes von Dir habe. Es ist immer toll mit Dir, in den diversen Gruppen, zu tun zu haben und jetzt habe ich eine kleine Ahnenung wer hinter dem Namen auch steckt:-)))))
    Herzlichst Eva

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  4. Das ist ja alles sehr beeindruckend, die Geschichte und die daraus entstandenen Werke. Da muss man unbedingt über den Zaun zurückgucken!

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  5. Liebe Susanne, Deine Vorstellung fand ich total spannend, ein toller Bericht. Deine Arbeiten sind alle klasse, aber der Augenschmaus ist gerade mein absoluter Favorit. Viele Grüße, Miriam

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  6. Liebe Susanne, ich freue mich jedesmal wenn ich Bilder von deinen Werken sehe! Umso mehr als du dich bereit erklärt hast bei Blind date mitzumachen und wir alle endlich die Gelegenheit haben die Person hinter dieser Schaffensfreude ein bisschen besser kennnen zu lernen.

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  7. Liebe Susanne,
    du weißt schon lange: für mich bist du die absolute "Freigeistin" unter den mir bekannten Quilterinnen ... Ich kenne keine andere die so sehr und so intelligent mit dem "Dahinter" arbeitet wie du ... "Stil" ist bei dir nie greifbar und "Überraschung" und "Inspiration" sind durchweg Programm ...
    Und ich mag, dass du immer ganz genau schaust, wenn du kommentierst, und immer (!!!) in allem etwas Besonderes und Wunderbares entdecken kannst ...
    Schön, dass es dich hier im Netz gibt!!!
    Mit herzlichen Grüßen
    Kirsten

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    1. "Freigeistin" - wie schön, vielen Dank.
      Susanne / Lizinnie

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  8. Wie schön, dich und deine wunderbaren Quilts hier im Blind Date kennen zu lernen! Der Babyquilt mit dem Hasen hat es mir total angetan ;-) Liebe Grüße von Martina

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  9. Vielen Dank euch allen für die lieben Worte und Kommentare.
    Eure Susanne / Lizinnie

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  10. Hallo Susanne,
    ich freue mich sehr, dich ein wenig mehr kennenzulernen. In der Bowlegged-curvy bee begegnen wir uns schon länger, aber endlich habe ich auch ein Bild vor Augen. Und das ist so schön. Deine wonky Wörter dort sind noch immer in meinem Kopf und die Idee finde ich nach wie vor toll. Wenn ich deine Sachen so sehe, bin ich schon ein wenig traurig, dass ich nicht so ganz künstlerisch veranlagt bin.
    Viele Grüße
    Martina

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